Wenn man an amerikanische Folk-Musik denkt, dann ist der Name Dave Van Ronk nicht gerade der erste, der einem dabei einfällt. Bob Dylan und Joan Baez stehen als große Heroen dieser Musikrichtung noch immer in den Köpfen der Menschen in der ersten Reihe. Der Stern Van Ronks leuchtete schon zu Lebzeiten deutlich blasser. Heute ist der Musiker allenfalls eingefleischten Folkmusik-Fans ein Begriff. Zumindest bis vor einigen Jahren ein Film über den Musiker in die Kinos kam.
Denn zu den Fans Van Ronks gehören auch die beiden Filmemacher Joel und Ethan Coen, die dem Folk-Genie mit dem Drama Inside Llewin Davis ein Denkmal gesetzt haben. Mit dem Film wurde Van Ronk wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen gerückt, und man kann nur hoffen, dass er von hier nicht so schnell wieder verschwindet. Denn wenn er auch weniger bekannt sein mag als Dylan, gehört er doch bis heute zu den bedeutendsten Folkmusikern aller Zeiten.
Genie in der zweiten Reihe
David Kenneth Ritz Van Ronk wurde am 10. Juni 1936 im New Yorker Stadtteil Brooklyn geboren. Später zog seine Familie nach Queens, wo der kleine Dave die Holy Child Jesus Catholic School besuchte. Seine ersten musikalischen Erfahrungen sammelte er Anfang der 1950er-Jahre mit diversen Jazz-Bands. Danach verschrieb sich Van Ronk dem atmosphärisch-düsteren Blues, dem vor allem von afroamerikanischen Musikern gepflegten Musikstil. Als er später mit der Folkmusik seine Berufung fand, blieben Blues-Elemente ein wesentlicher Bestandteil seiner Musik.
In den 1950er- und 1960er-Jahre war Van Ronk Dreh- und Angelpunkt der Folkszene in Greenwich Village, dem New Yorker Epizentrum der gegenkulturellen Strömung in den 1960er-Jahren. In den Musikkneipen des Viertels war der „Mayor of MacDougal Street“, wie Van Ronk bald genannt wurde, der Star der Szene. Ohne Hemd und Schuh brauchte Van Ronk nicht auf die Bühne gehen, er verdiente genug für seinen Lebensunterhalt. Denn: Die Lieder des politisch interessierten, als intellektuell geltenden Künstlers sprachen die Jugend ebenso an wie ältere Menschen, sie fanden bei einfachen Menschen genauso viel Zuspruch wir bei den Intellektuellen der Stadt.
Van Ronks ungebrochene Popularität
Van Ronk wurde Zeit seines Lebens unterschätzt, immer blieb er im Schatten des weitaus erfolgreicheren und bekannteren Bob Dylan, mit dem er befreundet war. Seiner Produktivität tat das keinen Abbruch. Von 1959 bis zu seinem Tod im Jahr 2002 veröffentlichte er 21 Studioalben. Daneben erschienen mehrere Live- und Kompilationsalben. Nach seinem Tod kamen weitere Best-of- und Live-Alben hinzu, was verdeutlicht, dass Van Ronk durchaus sein Publikum hatte und bis heute hat.
Für die ungebrochene Popularität und den titanischen Status, den Van Rong in der Folkmusik-Geschichte genießt, steht auch der elf Jahre nach seinem Ableben erschienene Spielfilm Inside Llewin Davis von den Coen-Brüdern. Das Musik-Drama nennt Van Ronk zwar nicht explizit beim Namen, ist aber eindeutig an sein Leben angelehnt. Der Titel des auf Van Ronks Autobiographie The Mayor of MacDougal Street basierenden Meisterwerks ist eine Anspielung auf die Platte Inside Dave Van Ronk aus dem Jahr 1964. Und: Der Film ist gespickt mit der wundervoll-melancholischen Musik des Künstlers. Auch damit haben sich die Filmemacher vor dem begnadeten Musiker Van Ronk verbeugt.